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sparte4 KETTENBRIEF

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DER sparte4 KETTENBRIEF*:

n° 7 (22/23): Zugreifen! Weil tollste Sonderformate! 

   

MÄGDE! BUBEN! 

Die nächsten beiden Wochenenden bieten wundervollste Sonderveranstaltungen, die wir euch unbedingt zu Herzen legen wollen! 

 

Eigentlich als erste Lesung dieser Saison schon für den September geplant, war Wolfram Lotz kurzfristig erkrankt gewesen und musste die Lesung aus seinem Opus Magnus HEILIGE SCHRIFT I leider vertagen. Wir weinten bitterlich! Umso mehr freuen wir uns, dass er am jetzigen Sonntag dann doch endlich in der sparte4 aufschlägt! 

Vom Hamburger Abendblatt mit dem Prädikat der "lustigsten Lesung des Jahres" versehen, könnte man sein Buch vielleicht noch am ehesten als Tagebuch bezeichnen. Trotz gewaltigen Titels. Und überwältigend isses  - seine HEILIGE SCHRIFT. Vielleicht sogar einschüchternd. Ehrfurchtgebietend. Radikal. Weil wahnwitzig. Und ziemlich witzig eben!

1981 geboren und im Schwarzwald aufgewachsen, ist er dabei kein Fremder in Saarbrücken - sein Erstling DER GROSSE MARSCH wurde immerhin unter der Regie von Christoph Diem und in Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen in der sparte4 uraufgeführt. Ausgerechnet. Hier. In der kleinsten Spielstätte des Staatstheaters. Denn ein gewisser Hang zum Größenwahn, zum Monumentalen, das zeichnet sein Werk von Beginn an aus. Oder so sagt man. Vermutlich greift Lotz deswegen oft auf den Kniff zurück, seine dramatischen Werke dem Genre des Hörspiels zuzuordnen. Zu üppig das Beschriebene, zu krass die Szenenwechsel, zu arg das Darzustellende. Im ENDE VON IFLINGEN ist es der Tag des Jüngsten Gerichts, in IN EWIGKEIT AMEISEN die Apokalypse durch den atomaren Supergau. Man sieht schon: in der Häufung biblisch. Und Unmöglichkeit, die hat Lotz zu seinem Credo erhoben. Drunter macht er’s nicht. Dass Lotz‘ Werk darüber hinaus (man kann es nicht oft genug betonen) zum Lustigsten gehört, das in der deutschsprachigen Literaturlandschaft (und auf deutschen Bühnen) zu finden ist, mag seinen Teil zum immensen Erfolg des Autors beigetragen haben. 
Vor drei Jahren begleitete Lotz seine Frau, die berufsbedingt in den Elsass ziehen musste, nach Colmar, bzw. einem kleinen Dorf in der Nähe davon. Zwei Jahre blieb er da. DIE POLITIKER entstanden dort, und aus dem gleichen Schreibprozess eines ungefilterten Totaltagebuchs schließlich die HEILIGE SCHRIFT I. Ein großes Buch. Ein schweres Buch. Ein Totschläger. Vergleiche mit Arno Schmidts ZETTELS TRAUM drängen sich auf. Oder mit Joyces FINNEGANS WAKE. Dabei ist die Entstehung von Lotzens Buch allein schon sagenumwoben und Stoff für Legenden: in diesem kleinen französischen Kaff nämlich schreibt er über ein Jahr lang mit, jeden Tag und alles, von frühmorgens bis spät in die Nacht. Wenn ein Gedanke drängelte, zog er sich aufs Klo zurück. Alles sollte, alles musste raus. Dem Text will er die Kontrolle übergeben, unkontrolliert, unrevidiert, alles soll behalten werden, nichts gilt als falsch, nichts darf schlecht sein, nichts wird lektoriert, das Leben will er abbilden, allumfassend, in all seiner Größe und all seiner Epik, und eben auch in all seiner Banalität, und bloß nicht auf Veröffentlichung schielen. Und um das noch zu untermauern, betätigt er nach einem Jahr die Reißleine. Auf mehr als 3.000 Seiten ist das Werk da mittlerweile angeschwollen, diese literarische Geschwulst, und ein Ende nicht in Sicht. Lotz löscht kurzerhand das komplette Projekt von seiner Festplatte. Er selbst sagt, dass er das Gefühl hatte, sich von einem Monster befreien zu müssen. Nur 912 Seiten haben überlebt. Und wie? Lotz habe den ersten Teil des Manuskripts einfach rechtzeitig vorher an einen Freund gemailt. Genauso hat es sich zugetragen, versichert er. Legendenbildung.
Überwältigend also? Und immer noch einschüchternd? Radikal? Womöglich. Aber eben auch attestiert saukomisch. Und wann bietet sich sonst schon die Gelegenheit im Anschluss an die "lustigste Lesung" mit Deutschlands "bestem Dramatiker der Gegenwart" (so nennt ihn die Süddeutsche Zeitung) ein Bier an unserer Bar zu kippen? Berührungsängste? Braucht's nicht. Immerhin, um mit den Worten Lotz‘ zu schließen:

„[…] vor Sprache soll man nicht auf den Boden fallen / die soll doch wimmeln und quietschen wie ein Meerschwein // oder knistern wie eine Distel in der Mikrowelle“

Und Meerschweinchen sind ziemlich süß. So wie Lotz. Hierauf: Amen.

 


SPARTENSPRECHER WOLFRAM LOTZ liest aus HEILIGE SCHRIFT I 
Autorenlesung in Kooperation mit dem buchladen im Nauwieser Viertel | Sonntag, 19. März | Beginn 20 Uhr | FV 

 


 

Und eine Woche darauf besucht uns Salomé Leclerc im Rahmen unserer Livemusikreihe KONZERTSAISON. In ihrer Heimat Kanada schon längst ein Star und hier bei uns noch nahezu unbekannt, ist sie im Frühjahr '23 als Kulturbotschafterin Ihrer Heimatstadt Québec auf kurzer und sehr exklusiver Europa-Tournee. Immerhin ist ihr Konzert in der sparte4 das einzige in Deutschland. 

Seit einem Jahrzehnt verwebt Salomè Leclerc mit den Mitteln der Collage Einflüsse von alternativem, durchlässigem Folk mit rockigen Vibes und agilem, warmem Pop. Dabei zeichnet sich ihre Musik immer auch aus durch die tiefe Verbundenheit mit jener neo-klassischen Schule kanadischer Rock- und Popmusik, die berühmt geworden durch Bands wie Arcade Fire auch die unbedingte Vorliebe für eine gewisse Inbrunst und Weite in den Arrangements erkennen lässt. Leclerc ist Autodidaktin, kann bis zum heutigen Tag keine Noten lesen, obwohl sie schon im Kindesalter mit dem Schlagzeugspielen beginnt und sich im Alter von zehn Jahren selbst das Gitarrenspiel beibringt: »Ich spiele nichts perfekt, aber ich komme mit jedem Instrument zurecht, was mir erlaubt, meine Ideen musikalisch umzusetzen, und all das zu arrangieren, was vor allem für die Zusammenarbeit mit anderen Musikern interessant ist«, sagt sie.
Schritt für Schritt hat sich Leclerc so ein musikalisches Universum erschlossen, das sie immer weiter verfeinert hat, und in dem sie angstfrei und unprätentiös »durch Versuch und Irrtum« ihre zarten und kathartischen Balladen kreiert: akustische Songs auf holzigen Gitarren mit ihrer klaren Stimme im Vordergrund, die so oft an Sirenengesang erinnert, dazu Erinnerungen und Anklänge (Echos?) an Rock und Synthie, ohne je effekthascherisch zu wirken. In einer Albumkritik bemerkt der Rezensent, es wären keine schönen Lieder obwohl sie doch wiederum genau das sind, und vielleicht sogar die schönsten, die er je gehört hat, denn alles wirkt natürlich, nichts künstlich aufgesetzt.
Es sind einfache Lieder, in denen jede Strophe, jeder Refrain, noch jedes Wort vollkommen erfahren und erfahrbar wird – kleine und simple Kunstwerke, mit wenigen Pinselstrichen hingeworfen, die just in ihrer vermeintlichen Zerbrechlichkeit ihre unbedingt Kraft entfalten, eben weil sie so organisch und so ehrlich klingen. Hier offenbart sich eine Frau, die beides versteht: jene zarte Umarmung einer unendlich anmutenden Einsamkeit und die (für Leclerc so typische) sanfte Explosion im Aufbegehren gegen sie.

Neugierig geworden? Eine Hörprobe gibt's hier.

 


KONZERTSAISON SALOMÉ LECLERC (CAN)
Präsentiert von sparte4 und der Vertretung der Regierung von Québec – Berlin | Samstag, 25. März | Tickets zu 18,00 € im VVK, 20,00 € an der Abendkasse | FV

 


   
* mit diesem E-Letter dürft Ihr natürlich machen, was Ihr möchtet, ihn drucken, löschen oder wieder und wieder lesen. Aber am schönsten wär’s doch, finden wir von der sparte4, Ihr würdet ihn und seine frohe Kunde einfach weiterverbreiten. Nur zu! Immerhin heißt das Ding ja nicht umsonst KETTENBRIEF!
   


Impressum:

 

Redaktion: Thorsten Köhler, Luca Pauer – Künstlerische Leitung sparte4

Kettenbrief n° 7 (22/23): Texte von Thorsten Köhler

Bildnachweise: © Foto Ansicht sparte4: Sönke Behrens; © Foto von Wolfram Lotz: Friederike Leu; © Foto von Salomé Leclerc: Camille Gladu-Drouin

 

SPIELSTÄTTE

 

sparte4

Eisenbahnstr. 22/Ecke Stengelstraße (1.Stock)
66117 Saarbrücken

Haltestelle Hansahaus/Ludwigskirche
Buslinien 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 121, 122, 123, 126, 127, 128, 12

Abendkasse 0681 9590571 
Ab einer Stunde vor Vorstellungsbeginn geöffnet.

Student*innen schauen für umsonst! 

Kostenlose Theaterkarten erhalten Studierende der Universität des Saarlandes, der HTW, der HfM Saar und der HBK Saar im Rahmen der Kooperationsvereinbarungen gegen Vorlage ihres Studierendenausweises ab drei Tage vor der Vorstellung. Ausnahmen und Sonderregelungen bitte an der Theaterkasse oder bei der jeweiligen Hochschule erfragen.

 

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Impressum
Verantwortlich für den Inhalt des Internetangebotes der Saarländischen Staatstheater GmbH im Sinne des Telemediengesetzes (TDG): Generalintendant Bodo Busse, Kaufmännischer Direktor Prof. Dr. Matthias Almstedt | Adresse: Saarländisches Staatstheater GmbH, Schillerplatz 1, 66111 Saarbrücken
Karten Telefon Vorverkauf (0681) 3092-486, Abonnement (0681) 3092-482, Mail kasse@staatstheater.saarland | Öffnungszeiten Vorverkaufskasse: Dienstag bis Freitag 10 – 18 Uhr, Samstag 10 – 14 Uhr, Telefonisch auch montags 10 – 16 Uhr.

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