Verfahren
»Das Gericht schafft geordnete Zukunft, indem es mit der Vergangenheit aufräumt.«
Ein Raum. Ein Prozess. Ein Erwartungsdruck. Ein Erwartungs-Ruck – Kathrin Röggla bringt nicht weniger als den Jahrhundertprozess um den NSU auf die Bühne. Als literarisch geraffte Langzeitbelichtung einer Zusammenkunft, die in 438 Runden stattfand und nun zu einem 5-Akt-Ereignis verschmilzt. Eine theatral angeordnete Wahrheitssuche, bei der die Zuschauerschaft dem Ablauf des Gerichtsballetts beiwohnt, zu Haltung und Wachheit aufgefordert, gleich einer Richterschaft.
Rögglas Figuren tun vor allem eines: Warten. Warten auf die Richter, die Opfer, die Zeugen, warten auf das Exemplum, auf ein Ende des NSU, auf einen Kahlschlag gegen Rechts, auf Gründe und Gerechtigkeit. Mit dem Prozess um den Nationalsozialistischen Untergrund – seine Morde, seine Mordversuche und damit zusammenhängende Delikte – sind im Stück, wie auch in der Wirklichkeit dazumal, große Erwartungen an den Rechtstaat verbunden gewesen. Als das Urteil am 11.7.2018 gefällt wurde, gingen die Einschätzungen unter Experten, Bürgern und Opfern weit auseinander – Wirklichkeit und Fiktion fragen beide: Ist genug erreicht worden?
Die Schriftstellerin und Dramatikerin Kathrin Röggla kondensiert den fünf Jahre währenden Prozess als literarische Zeitzeugin für uns in ein Theaterformat, als inszenierte, einer Detailflut folgenden Fragenrunde zum Thema, was Recht innerhalb des heutigen Gesellschaftsvertrags leisten kann.
Nachgesprächsangebot:
IM GESPRÄCH BLEIBEN: RASSISMUS UND RECHTSEXTREMISMUS HEUTE
Mit der Initiative Yallah ! und dem Adolf-Bender-Zentrum
Termine: 27.4., 19.5.
Der Prozess um das NSU-Trio machte der breiten Öffentlichkeit vor allem zwei Dinge deutlich: zum einen, wie verbreitet und organisiert die rechte Szene ist – wie finanzstark, öffentlich agierend, gewaltbereit und strukturell infiltrierend sie auf der ideologischen Ebene ist, bis hinein ins parlamentarische Milieu, in den Staatsschutz, in die Polizei. Und zum anderen, wie struktureller Rassismus in den Sicherheitsbehörden die Aufklärung der NSU-Morde nicht nur behinderte, sondern auch fehlgeleitet hat – trotz wiederholten Hinweisen auf Rassismus als mögliches Tatmotiv der Morde.
Zum Gedenken der NSU-Opfer möchten wir mit Ihnen darüber sprechen, wie der Umgang mit dem rechtsextremen Terror im Aufarbeitungsprozess zu bewerten ist und welche gesellschaftlichen Konsequenzen die im Verfahren gesetzten Signale haben. (Struktureller) Rassismus und Rechtsextremismus als Probleme von einst? Und wie kann diesen Phänomenen entgegengewirkt werden?
Es diskutieren mit Ihnen: Karin Meißner der Fach- und Präventionsstelle Islamismus und antimuslimischer Rassismus „Yallah !“ sowie Uwe Albrecht von der Fachstelle gegen Rechtsextremismus im Saarland (Adolf-Bender-Zentrum), moderiert von Dramaturgin Bettina Schuster-Gäb
Blog-Beiträge zu »Verfahren«:
Inszenierung
Marie Bues
Choreographie
Bahar Meriç
Bühnenbild und Kostüme
Heike Mondschein
Musik
Kat Kaufmann
Licht
Patrik Hein
Dramaturgie
Bettina Schuster-Gäb
Gerichtsoma
Martina StruppekGerichtsopa
Alexander EbeertFrau von der Botschaft
Anne RieckhofSogenannter Ausländer
Raimund WidraKollege Strafverteidiger
Burak HoffmannGerichtsdienerin
Florence AdjidomeBlogger
Silvio Kretschmer»Der ›Gerichtsopa‹ hingegen entpuppt sich als langjähriger Profi im Zugucken schon seit den RAF-Prozessen und als großer Schwadronierer, den Alexander Ebeert mit herrlich sattem Tonfall Pseudo-Gewissheiten en gros von sich geben lässt. Die ›Gerichtsoma‹, die Martina Struppek köstlich emotional aufkratzt, ergötzt sich auch an den Ritualen des Gerichts.«
Saarbrücker Zeitung, 04. April 2022, Oliver Schwambach
»Kathrin Röggla geht nun in ihrem Drama ›Verfahren‹, das just in einer Kooperation mit dem Theater ›Rampe‹ in Stuttgart am Saarländischen Staatstheater uraufgeführt wurde, auf etwas mehr Distanz zum Geschehen und richtet ihren Blick vor allem auf das Publikum des NSU-Prozesses. Allesamt mit skurrilen Kostümen ausgestattet, finden sich darunter die Stereotypen ›Gerichtsoma‹ (Martina Struppek) samt ›Gerichtsopa‹ (Alexander Ebeert), die ›Frau von der türkischen Botschaft‹ (Anne Rieckhof), ein ›sogenannter Ausländer‹ (Raimund Widra), der ›Kollege Strafverteidiger‹ (Burak Hoffmann) sowie die linksalternative ›Blogger*in‹ (Silvio Kretschmer) und die ›Gerichtsdienerin‹ (Florence Adjidome). Was diese bunte Truppe natürlich mitbringt, sind heterogene Perspektiven auf den langwierigen Strafprozess.« Mehr lesen ...
Die Deutsche Bühne, 3. April 2022, Björn Hayer
»Bues inszeniert ›Verfahren‹ auf einer unschuldsweißen Bühne und mit einer skurrilen Figurensammlung. Das Ensemble spielt durchweg stark. Adjidome gewinnt das Publikum mit ihrer Exaltiertheit.« Mehr lesen ...
saartext, 4. April 2022, Oliver Sandmeyer
»Diese Uraufführung in Koproduktion mit dem Theater Rampe, Stuttgart, ist ein Bravourstück des aktuellen politischen Theaters. Wer bei „ Verfahren“, einer Auftragsarbeit des Staatstheaters an Katrin Röggla, eine hölzerne, juridisch fundierte Bestandsaufnahme und Kritik des NSU-Prozesses erwartete, wurde gründlich (positiv) enttäuscht. Was am Samstagabend in der Alten Feuerwache in der vortrefflichen Inszenierung von Marie Bues über die Bühne ging, war eine bitterböse Parodie auf die Art und Weise, wie einer der längsten und umfänglichsten Strafrechtsprozesse in der Öffentlichkeit wahrgenommen und von den Medien rezipiert wurde.« Mehr lesen ...
OPUS Magazin, 4. April 2022, Kurt Bohr
»Es gibt wenig Spielerisches auf der Bühne, viel Abstraktion, viel Plädoyer, kurzum: viel Text.Doch der ist eben auch pointiert, präzise und auch voller komischer Elemente.Das Ensemble unter der Regie von Marie Bues versteht es, diese herauszuarbeiten, den drohenden Stillstand in diesem Verfahren dadurch abzuwenden durch bisweilen heiteres Spiel mit diesem Ernst der Thematik.« Mehr hören ...
SR3 Saarlandwelle Region am Sonntag, Jochen Erdmenger, 3. April 2022
»Er (der Theaterabend) ist ein Appell zu erhöhter Sensibilität. Sein Besuich nicht nur für Juristen eine dringende Empfehlung!« ... mehr erfahren
»Wir im Saarland - Kultur«, 06.m April 2022, Uwe Loebens