Woyzeck.
Woyzeck schwitzt. Und leidet. Gesteuert von Geldnöten rennt er durch die Welt – permanent leistungsbereit, ohne Ruhe oder Rast. Ein emotionales Wrack, das keine Wahl hat? In allen gängigen Woyzeck-Inszenierungen sehen wir einen kleinen Mann, der statt seiner Unterdrücker, statt all der Peiniger, schlussendlich seine Partnerin ermordet. Und der dann auch noch als tragische Gestalt beweint wird.
Nicht so bei uns. In Lorenz Noltings am Thalia-Theater Hamburg uraufgeführter sehr freier Büchner-Adaption als brachialem und vorwärtsgetriebenem Solo für eine Spielerin (sie ist Büchners Figuren – auf Band, im Video und auf der Bühne) werden jene menschenverachtenden Systeme entlarvt, an deren Ende es vor allem die sozial Schwachen, Stigmatisierten und häufig weiblich Sozialisierten sind, an denen sich die Gewalt kapitalistischer Strukturen ausagiert. So wird die klassische Handlung auch mit dem Fall des Schlächters Milo S. verwoben, der 2021 in der Zerlegehalle einer »Tönnies«-Großschlachterei zum Mörder werden sollte.
Dieser sehr aktuelle Woyzeck mit seiner Performerin Anna K. Seidel stellt die drängende Frage: Warum rächt sich Woyzeck immer an den- bzw. pardon, an der Falschen? Und nicht an all denen, die dieses auf Unterdrückung fußende System aufrechterhalten? Und warum folgen wir ihm nicht?