Konzertsaison: Lyschko
Lyschko sind drei Menschen aus einer mittleren Großstadt in NRW, deren Frust sich in geballter musikalischer Wucht entlädt. Brutale Pop-Musik gerissen aus dem finsteren Herzen jugendlicher Furcht angesichts des Zustandes der Welt; zugleich aber auch Musik, die die Verhältnisse als gemacht und wandelbar erkennt und utopisch zu überwinden sucht; Musik schließlich, die aus der eigenen Verunsicherung große Träume schöpft.
Mit den beiden Singles »Hysterie + Abfall« und »Fremd« (beide 2022) hat Lyschko jedes Staubkorn aufgewirbelt, das es sich in der deutschsprachigen Musikszene bequem gemacht hatte. Auf der Bühne bedienen Lina Holzrichter (Gesang), Jonah Holzrichter (Bass) und Lukas Korn (Gitarre) ihre Instrumente absolut hochklassig (live wird die dreiköpfige Band energetisch von Doris Banovic am Schlagzeug komplettiert) – ebenso hochklassig ist auch ihr Style, mit dem sie sich deutlich vom oft so schluffigen Scheißegal-Indie anderer Bands abheben.
Auf eine zweiwöchige Support-Tour mit Mia Morgan folgten drei Shows im Vorprogramm von Drangsal, der seit Monaten nicht müde wird, für Lyschko zu werben (auf »Fremd« leiht er der Band obendrein seine unnachahmliche Stimme). So kommt es, dass selbst die mit Newcomer-Support geizenden großen Streaming-Anbieter Lyschko schon früh mit hochdotierten Playlist-Platzierungen den roten Teppich ausrollten. »Hysterie + Abfall« als erste Singleauskopplung zierte auf Anhieb ein Spotify-Cover (»Fresh Finds“). Der Song »Fremd“ landete prompt in der Mutter aller Spotify-Playlists: der »New Musik Friday”-Liste, nach der sich Bands, Labels und Managements seit je sämtliche Finger lecken. Musikmedien wie diffus und Musikexpress stiegen in den Jubel ein und verteilten Bestnoten, und auch die Unterstützung anderer Bands bleibt nicht aus (Kraftklub lobten ausdrücklich in ihrem Radio mit K).
Lyschko vertonen seit 2018 Verdruss, Attitude und Aufschrei in einer bittersüßen Melange aus Post Punk, New Wave und fein selektierten Essentials düsteren Pops. Im Schoße der NNDW, der Neuen Neuen Deutschen Welle (ein Begriff den Lyschko selbst geprägt haben), triumphiert das junge Trio mit Bravour und sucht minutiösen (Post-)Punk-Nahkontakt im Stile von Die Nerven, Culk oder Messer, und internationalen Genre-Größen wie Fontaines DC, Iceage oder Just Mustard.
Ihr Debütalbum »Brennen« selbst besticht durch kristallklare Metaphorik und Lyschkos wie gewohnt anziehendes Soundkonzept. Der Dreier präsentierte sich dabei weniger auf Krawall gebürstet, sondern in einer haken-schlagenden Retromanie inklusive Post-Punk Gewitter und Lina Holzrichters melancholischem und doch vollem Stimmvolumen. Holzrichters Devise: »Vergesst mal den Rock und lasst mehr echte Emotionen zu.« Längst scheinen Lyschko nicht mehr nur von Fragen der Adoleszenz und spät-juvenilen Auswüchsen umgetrieben, sie nehmen vielmehr Abstand von gegenstandslosen Demo-Parolen, indem sie sich mit intuitiv-melancholischer Leichtigkeit zu feinjustierten Lyrics und den klug gesetzten Antithesen einer jungen wortgewandten und (Meinungs-)starken Frau hin bewegen. All das verleiht der viel zu oft recht blassen deutschsprachigen Gitarrenmusik einen kräftig-leuchtenden neuen Anstrich, der sicherlich so schnell nicht abblättern wird.
Hörproben:
SUPPORT: MESTRE (F)
Bester französischer Post-Punk (die Band selbst nennt es Cold Punk) in der Tradition von FRUSTRATION, JOY/DISASTER, CHARLES DE GOAL und SYNDROME 81 – dafür stehen MESTRE aus Metz. Bereits 2015 gegründet, benennt das Quartett selbst Einflüsse wie JOY DIVISION, SOVIET SOVIET oder HOLOGRAMS. Druckvolle Gitarren mit stimmigen Breaks, ein rollender Bass mit Tribal Drums und der gekonnte (weil dezente) Einsatz von Synthies, verbinden sich mit dem großartigen Gesang von Julien Dufételle, der an Rafael Reyes von PRAYERS erinnert. MESTREs Debutalbum Beyond the Lines verfügt über konsequenten Druck und eine Energie, wie man sie selten findet, weswegen der Band vor allem live durchschlagende Wirkung attestiert wird.
Hörproben:
»Lyschkos flammenhafter Glamoursoundmacht, dass ich meine Jugend zurück haben und Dinge erleben will z.B. mir in einer durchsoffenen Sommernacht die Initialen der Bandmitglieder auf eine normalerweise streng verdeckte Stelle tätowieren lassen...«
Charlotte Brandi
»Von kühl und elegant zu ganz großen Emotionsgewittern in wenigen Takten und wieder zurück - Lyschkos angezündeter New Wave macht mich echt fertig. Positiv gemeint!«
Linus Volkmann
»ENDLICH(!) reißt mich etwas aus dem Shuffle-Trott des Nebenbei-Hörens ermattend geläufig klingender, auf Algorithmen getrimmter Massenware, und das mit einer neuen, heißen, fordernden Wucht, der ich mich, in tiefroten Gedanken an „BRENNEN“ als Soundtrack meiner Teenage Angst-Montage in Retrospektive, willentlich und ganz ergebe.«
Mia Morgan